Sebastian Zink
Dr. Thorsten Dorn
Dr. Hildegard Spital
Dr. Sandra Steinhauer

Interview mit Dr. Gärtner,
dem leitenden Oberarzt des Adipositas-Zentrums-Karlsruhe (AZK)


Dr. Gärtner
Oberarzt Dr. D. Gärtner
Seit Juli 2015 ist unsere Praxis Kooperationspartner
des Adipositas-Zentrums-Karlsruhe.

Ein wirksamer Weg zur erfolgreichen Behandlung
des krankhaften Übergewichts ist die Operation des
Magen-Darm-Traktes.

Dr. Daniel Gärtner (D.G.) ist leitender Oberarzt der
Adipositas-chirurgischen Abteilung im Städtischen
Klinikum Karlsruhe.

Sebastian Zink (S.Z.) sprach mit ihm über diese
Behandlungsmethode, die auch in Deutschland
immer beliebter ist.

S.Z.: Herr Gärtner, Sie führen Operationen zur Behandlung der krankhaften Fettleibigkeit durch. Welche Patienten kommen für solch eine Operation in Frage?

D.G.: Die Patientenauswahl ist in Deutschland in einer medizinischen Leitlinie geregelt. Eine Operation kommt grundsätzlich dann in Frage, wenn eine professionelle nicht operative Therapie keinen Erfolg gebracht hat und der Patient einen BMI größer 40 kg/m² hat oder größer 35 kg/m² und bereits Folgeerkrankungen wie z. B. die Blutzuckerkrankheit eingetreten sind. Der BMI (Body-Mass-Index) setzt das Körpergewicht ins Verhältnis zur Körpergröße und kann relativ einfach errechnet werden. Man nimmt das Körpergewicht in kg und teilt es durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. So hat zum Beispiel eine Frau mit einer Körpergröße von 1,68 m und einem Körpergewicht von 128 kg einen BMI von 45 kg/m².

S.Z.: Was wird bei solchen Operationen gemacht? Ist der Eingriff aufwendig und gefährlich?

D.G.: Eine operative Gewichtsreduktion ist auf zwei verschiedenen Wegen möglich. Die einfachere Operation ist die sogenannte Magenverkleinerung. Hier wird durch eine Reduktion der Magengröße ein deutlich früheres Sättigungsgefühl erreicht. Dadurch verringert sich die Essmenge sehr stark. Eine andere Möglichkeit ist die Einschränkung der Energieaufnahme aus der zugeführten Nahrung in den Organismus durch Umleitung bestimmter Abschnitte des Dünndarmes. Die Entscheidung, welche Operation zum Einsatz kommt, sollte meiner Meinung nach immer individuell getroffen werden, da es nicht die eine gute und die andere schlechte Operationsmethode gibt.

Diese Operationen sind praktsich alle minimalinvasiv in der sogenannten Schlüssellochtechnik möglich. Der Schwierigkeitsgrad für den Operateur variiert zwischen den einzelnen Eingriffen sehr stark. Bei Operationszeiten zwischen 45 und 90 Minuten können die Eingriffe im spezialisierten Zentrum heute jedoch alle sehr sicher durchgeführt werden, auch wenn manche Adipositaspatienten bereits durch Folgeerscheinungen schon sehr krank sind. Sowohl die Operationen als auch die Narkosen bei extrem übergewichtigen Patienten sollten grundsätzlich nur von einem spezialisierten Team durchgeführt werden. Um dieser Spezialisierung gercht zu werden, entstehen in Deutschland an verschiedenen Orten sogenannte Adipositaszentren. Eines von den drei großen Zentren in Baden-Württemberg sind wir hier in Karlsruhe. Wir können daher sämtliche gängigen Operationsverfahren anbieten.

S.Z.: Muss sich der Patient auf eine solche Operation vorbereiten? Wie lange muss er im Krankenhaus bleiben, wann kann er wieder arbeiten?

D.G.: Alle Patienten in unserem Zentrum durchlaufen eine gründliche Abklärung durch verschiedene Ärzte: durch Ernährungsmediziner, Stoffwechselexperten, Psychologen oder Psychiater, Herz- und Lungenspezialisten und natürlich auch durch einen Adipositaschirurgen. In der Regel wird der Patient durch eine sechsmonatige Ernährungsberatung auf die Ernährungsumstellung nach der Operation vorbereitet.

Durchschnittlich bleibt der Patient zwischen fünf oder sechs Tagen im Krankenhaus und kann zwei bis drei Wochen nach der Operation wieder zur Arbeit gehen.

S.Z.: Übernehmen die Kassen die Kosten für einen solchen Eingriff?

D.G.: Grundsätzlich übernehmen die Krankenkassen die Kosten für solche Operationen, wenn der Patient die Voraussetzungen hierzu erfüllt. Es gibt jedoch spezielle Anforderungen, unter anderem muss für jeden einzelnen Patienten ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Die Akzeptanz dieser Therapiemöglichkeit bei den Kostenträgern ist in den letzten Jahren angesicht der guten Therapieergebnisse deutlich besser geworden, jedoch sind wir hier in Deutschland von einer allgemeinen Anerkennung dieser Operationen noch weit entfernt. Dies zeigt sich durch sehr geringe Operationszahlen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern.

S.Z.: Wie erfolgreich ist eine solche Operation?

D.G.: Bei guter Patientenauswahl können sehr gute Langzeitergebnisse erreicht werden. Ziel der Operation ist ein BMI von 30 kg/m² oder etwas darunter. Das heißt, es wird nicht unbedingt ein "Normalgewicht" angestrebt, da aus medizinischer Sicht für Patienten ein BMI zwischen 20 und 30 kg/m² ausreichend ist. Um einmal eine Zahl zu nennen, Patienten nach einem Magenbypass haben zwei Jahre nach der Operation durchschnittlich 45 kg weniger. Das Ergebnis ist abhängig vom Ausgangsgewicht, von der Nachsorge und der Mitarbeit des Patienten.

Kommt der Patient regelmäßig zur Nachsorge und arbeitet gut mit, kann dieser Erfolg in 70 - 80 % der Fälle erreicht werden. Teilweise können wir bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 oder einer Schlafapnoe, darunter versteht man längere Atempausen während des Schlafes, eine vollständige Rückbildung der Krankheit erreichen. Manche Patienten können erst durch diese Operation überhaupt wieder arbeitsfähig werden. Im Vergleich zu den sehr schlechten Ergebnissen der nicht operativen Therapie bei diesen stark adipösen Patienten sind die operativen Ergebnisse im Langzeitverlauf deutlich überlegen.

S.Z.: Ist die Lebensqualität nach der Operation eingeschränkt? Kann der Patient alles essen oder muss er dauerhaft Nährstoffe zuführen?

D.G.: In der Anfangszeit nach der Operation ist eine intensive Umstellung der Ernährung notwendig. Später - nach drei bis sechs Monaten - kann der Patient alles essen, jedoch in deutlich kleineren Portionen. Die Notwendigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln - wie Vitamine und Spurenelemente - variiert sehr stark zwischen den einzelnen Patienten. Sie hängt auch von dem operativen Eingriff ab. Im ersten Jahr nach der Operation findet eine sehr drastische Gewichtsreduktion statt. Hier empfehlen wir grundsätzlich die Einnahme von Vitaminpräparaten. Im weiteren Verlauf entscheiden wir dies individuell anhand der Kontrolle der Blutwerte. Auch aus diesem Grund ist eine Nachsorge sehr wichtig, da nicht alle Mangelerscheinungen unmittelbar auch Symptome bereiten.

S.Z.: Welche Schritte sind nötig, um im Adipositas-Zentrum-Karlsruhe beraten und behandelt zu werden?

D.G.: Der einfachste Weg zu uns ist zunächst die Teilnahme an unerem Arzt-Patienten-Seminar. Dies führen wir jeden Monat ein bis zwei Mal durch. Hier geben wir den Patienten zunächst in Gruppen von 10 - 15 Patienten einen Überblick über die gesamt Adipositastherapie. Wir beschreiben die Funktionen der verschiedenen Fachgebiete in der Abklärung, Vorbereitung und Nachsorge. Anschließend ist ausreichend Zeit für Fragen. Nach dieser Fragerunde erhält der Patient dann einen Laufzettel und eine Liste mit Kontaktadressen unserer Kooperationspartner.

Nach einer umfassenden Abklärung kann sich der Patient in unserer Adipositassprechstunde vorstellen. Wir besprechen mit ihm persönlich die Befunde und erklären die für diesen Patienten geeignete Therapie. Anschließend wrid dann ggf. ein Kostenübernahmeantrag in die Wege geleitet.

S.Z.: Was wünschen Sie sich von uns Endokrinologen in der gemeinsamen Betreuung und Behandlung der Adipösen?

D.G.: Die Endokrinologen sind ein wichtiger Kooperationspartner in einem Adipositaszentrum. Da die Adipositas einerseits eine Erkrankung des Stoffwechsels ist und gleichzeitig Stoffwechselveränderungen als Folge der Adipositas eintreten können, benötigen wir bei jedem Patienten eine sorgfältige Abklärung des Stoffwechsels. Im Wesentlichen bezieht sich diese Abklärung auf den Blutzuckerstoffwechsel, die Schilddrüsenfunktion und die Nebennierenfunktion. Des Weitern wissen wir, dass viele übergewichtige Patienten Vitaminmangel haben können, so dass wir auch die Beurteilung des Vitaminhaushaltes und der Spurenelemente benötigen.

Im weitern Verlauf wünschen wir uns dann eine Betreuung der Patienten mit weiteren Blutkontrollen, um Mangelerscheinungen nach der Operation gar nicht entstehen zu lassen.

S.Z.: Wir danken für die umfassende Information und Aufklärung.

(Karlsruhe, September 2015)